Auf Feldern und Seen Die nächste Generation der Photovoltaik
14.07.2022 • 5 Minuten Lesezeit
80 Prozent Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix Deutschlands bis 2030 – so eröffnete Bundesminister Robert Habeck zu Jahresbeginn die Perspektive auf die kommenden Jahre in der Energiewende. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. McKinsey stellt im aktuellen Energiewende-Index fest, dass sich der Ausbau von Windparks an Land verdoppeln, auf See verdreifachen und der von Solaranlagen allgemein vervierfachen muss, um das Ziel der Bundesregierung erreichen zu können.
Eine Verschärfung der ohnehin bestehenden Konflikte in der Flächennutzung ist somit vorprogrammiert: Wo sollen all die neuen Flächen, gerade für den Ausbau der Photovoltaik (PV), entstehen? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat dazu seine Vorstellungen geäußert: Alle geeigneten Dachflächen sollen genutzt werden, gewerbliche Neubauten sollen verpflichtend mit Solaranlagen ausgestattet sein, private Neubauten auch stärker als zuvor. Doch ob das ausreicht?
Eine ergänzende Alternative wäre die Nutzung von Wasser- und Agrarflächen – ohne den Anbaupflanzen das auch von ihnen benötigte Sonnenlicht zu verwehren. Doch in der Tat gibt es entsprechende innovative Ansätze, den Anbau von Nahrungsmitteln und die Stromproduktion durch PV auf ein und derselben Fläche zu vereinen: Die Rede ist von „Agri-PV“, hinzu kommt „Floating PV“ für Wasserflächen. Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand?
Landwirtschaft neu denken - mit Agri-PV zur effizienteren Flächennutzung
Agri-PV bezeichnet die doppelte Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen zur gleichzeitigen Gewinnung von Strom durch auf diesen Flächen installierte Photovoltaikanlagen.
Das Konzept wird maßgeblich vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE vorangetrieben. Es bietet deshalb Potenzial, weil es flexibel ist und auf die jeweilige landwirtschaftliche Nutzung konkret abgestimmt werden kann. Unabhängig davon, wie groß die angebaute Pflanze ist, ob es sich um Obst, Getreide oder Sonderkulturen handelt, unabhängig davon, ob in Deutschland, im Mittelmeerraum oder in Afrika: Die Anlagen sind überall einsetzbar und können je nach Konzeption sogar die Effizienz des Anbaus steigern.
In besonders heißen Gegenden können die Solarpanels so über den Pflanzen angebracht werden, dass die Sonneneinstrahlung auf die Pflanzen reduziert und das Mikroklima dadurch verbessert wird. Zusätzlich kann mithilfe der Anlagen Wasser aus der Luft kondensiert und aufgefangen werden, welches die Pflanzen direkt bewässert oder zur anderweitigen Nutzung abgeführt wird. Diese mehrfache Nutzung steigert die Effizienz der Nutzflächen und ist eine besonders wirksame Methode für die zukünftige Landwirtschaft unter heißeren klimatischen Bedingungen weltweit. Auch in kühleren Regionen erfüllen die Anlagen dreifachen Nutzen durch zusätzlichen Schutz vor Hagel, Frost und Unwetter.
Die Zahlen des Fraunhofer-Instituts zur Nutzung legen offen, dass die Nachfrage nach Agri-PV-Anlagen noch niedrig ist, aber exponentiell steigt. 2012 waren weltweit noch um die 5 MWp, 2018 schon circa 2,9 GWp und 2020 mehr als 14 GWp an Leistung installiert. Mehrere Länder bieten schon seit Jahren staatliche Förderprogramme diesbezüglich an, darunter Japan, China, Frankreich, die USA und Südkorea. Das technische Potenzial allein für Deutschland beziffert das Fraunhofer-Institut auf circa 1,7 TWp, was dem Hundertzwanzigfachen der aktuell weltweit installierten Leistung entspricht. Deutlich wird: Das Potenzial ist riesig und noch lange nicht ausgeschöpft.
Wie auf dem Feld, so auf dem Wasser
Die Konzeption von Floating PV ist vergleichbar. Hierbei geht es darum, ungenutzte Flächen auf künstlichen Seen dafür zu verwenden, schwimmende PV-Anlagen zu installieren.
Darunter fallen etwa geflutete Gruben aus dem Tagebau oder Stauseen. Zwar werden diese Flächen dadurch nicht doppelt genutzt, doch entstehen dennoch wertvolle Synergieeffekte. Das Wasser kühlt die Solarmodule und die Module wiederum verringern den Sonneneinfall aufs Wasser, sodass sich weniger das Ökosystem belastende Algen bilden. Auch ist es möglich, die Floating PV-Anlagen mit Wasser- oder Windkraft zu koppeln, um die umliegenden Flächen noch effizienter zu nutzen, Wetterfluktuationen entgegenzuwirken und Wartungsprozesse zu optimieren.
Im Gegensatz zu Agri-PV ist Floating PV noch kein sonderlich verbreitetes Nutzungskonzept auf Wasserflächen. Die weltweit installierte Leistung aller Anlagen bezifferte das Fraunhofer-Institut für Anfang 2021 mit etwa 2,6 GWp. Dennoch ist auch hier das Ausbaupotenzial nennenswert: Allein für Deutschland beläuft es sich auf 44 GWp, was dem Siebzehnfachen der aktuell weltweit installierten Leistung entspricht.
Ausblicke auf eine "grüne" Zukunft
Spätestens durch die bald gesetzlich verankerten Anreize der Bundesregierung sollte sich die Nutzung innovativer Konzepte wie Agri-PV und Floating PV stärker verbreiten. Der mehrfache Nutzen ermöglicht es Landwirten, Energieversorgern mit stillgelegten Braunkohlegruben und institutionellen Investoren, die wirtschaftliche Effizienz der Betriebe oder Investments zusätzlich zu erhöhen und gleichzeitig zu einem "grüneren" Strommix beizutragen. Dass innovative Ideen zu Wirklichkeit werden und sich exponentiell verbreiten, ist mehr als begrüßenswert und eine willkommene Entwicklung für die Energieherstellung von morgen.
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