Aus der Vogelperspektive werden grüne Baumkrone mit einem Nebelschweif dargestellt.

Energie der Zukunft? Grüner Wasserstoff – Hoffnungsträger und Herausforderung

07.03.2023 6 Minuten Lesezeit

klimaVest: Redakteurin Annemarie Zahn
Annemarie Fountoukas
Redakteurin

Wasserstoff – ist das der Stoff, aus dem die Energie der Zukunft wird? In der Industrie ist er längst angekommen – etwa in der Ölraffination oder der Stahlproduktion –, und das bereits vor Jahrzehnten. Immerhin enthält ein Kilo des geruch- und farblosen Gases 2,4-mal so viel Energie wie Erdgas. Als Brennstoff ist es sauber, vielseitig und erzeugt keine direkten Treibhausgasemissionen. Klingt, als könnte uns Wasserstoff mit Hochgeschwindigkeit in Richtung klimaneutrale Wirtschaft katapultieren. Worauf also warten wir? 

Nur in gebundener Form vorhanden

Beginnen wir mit einer Nahaufnahme: Wasserstoff ist einerseits das häufigste chemische Element im Universum, doch sein Massenanteil in der Erdhülle beträgt lediglich 0,87 Prozent. Der Großteil davon ist wiederum im Wasser gebunden – das H2 von H2O. Überhaupt kommt Wasserstoff in der Natur nur in gebundener Form vor. Und genau das – Sie ahnen es schon – ist der Knackpunkt. Reiner Wasserstoff muss zunächst abgespalten werden und dieser Prozess ist nicht nur kostspielig, sondern auch zeit- und energieintensiv. 

Kleine Farbenlehre

Möglichkeiten zur Wasserstoffgewinnung gibt es verschiedene. Der Einfachheit halber sind sie sprachlich durch eine Farbe gekennzeichnet. Wird Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser abgespalten und dazu ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien genutzt, spricht man von grünem Wasserstoff. Ist der Ausgangsstoff ein fossiler Brennstoff wie etwa Erdgas, erfolgt die Abspaltung unter Einsatz von Hitze. Der so unter Freisetzung von CO2 gewonnene Wasserstoff wird als grau bezeichnet.

Wird das dabei entstehende CO2 jedoch gespeichert, gilt die Herstellung als CO2-neutral, was in der Bezeichnung als blauer Wasserstoff zum Ausdruck kommt. Wird Wasserstoff durch die Spaltung von Methan gewonnen, ist von türkisem Wasserstoff die Rede. Diese Form der Produktion ist nur dann CO2-neutral, wenn erneuerbare Energien zum Einsatz kommen und der frei werdende Kohlenstoff gebunden wird.

Schwierig: die CO2-neutrale Produktion und der gefahrlose Transport

Aus der kleinen Farbenlehre lässt sich gut ableiten, wieso wir mit dem Energiebündel Wasserstoff nicht einfach durchstarten können. Solange der Anteil an erneuerbaren Energien nicht signifikant steigt und damit auch der Preis sinkt, ist die Produktion von grünem Wasserstoff – und nur dieser kann im Sinne des Klimas das Produkt der Wahl sein – nicht erschwinglich. Dies könnte aber nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) ab dem Jahr 2030 der Fall sein. Bis dahin sollten die Produktionskosten dank des Ausbaus der Infrastruktur für saubere Energie um 30 Prozent sinken.1

Aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Aufgrund seiner geringen Dichte ist Wasserstoff extrem schwierig zu lagern. Das leichteste Gas des Universums ist hochexplosiv. Zur sicheren Aufbewahrung muss es entweder unter hohem Druck in Spezialbehälter gepresst oder als Flüssigkeit bei minus 253 Grad Celsius gelagert werden.  Entsprechend anspruchsvoll ist auch der Transport beziehungsweise der Export via Leitungen, Schiffen oder Lkws.

 

Die Bundesregierung setzt alle Hebel in Bewegung

Trotz aller Herausforderungen hat die Bundesregierung Wasserstoff zum Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel identifiziert. Die im Juni 2020 beschlossene Nationale Wasserstoffstrategie zielt darauf ab, mittels Wasserstofftechnologie den CO2-Ausstoß in den Bereichen Industrie, Verkehr und Energie zu senken, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und neue Märkte zu erschließen.2

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufene internationale Zukunftslabor „REDEFINE Hydrogen Economy (H2E)“  forscht bereits an alternativen, umweltfreundlichen Produktionsmethoden von grünem Wasserstoff. 

Internationale Partnerschaften boomen

Darüber hinaus hat das BMBF bereits damit begonnen, über die Forschung neue strategische Wasserstoff-Partnerschaften in Europa und rund um den Globus aufzubauen. Bereits im August 2021 wurde mit dem sonnenreichen Namibia eine solche Partnerschaft beschlossen. Im November des gleichen Jahres wurde gemeinsam mit der Australian Renewable Energy Agency (ARENA) die Fördermaßnahme HyGATE aus der Taufe gehoben.

Ihr Ziel: Forschungsprojekte zur Entwicklung und Demonstration von innovativen grünen Wasserstofftechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufzusetzen.  Gemeinsame Interessen verfolgt man auch mit Saudi-Arabien, weshalb dort im Februar 2022 bereits das zweite deutsche Wasserstoffdiplomatiebüro eröffnet wurde.  Im August des gleichen Jahres gab das BMBF für deutsch-neuseeländische Wasserstoffprojekte grünes Licht.  Einige Monate später begann das Ministerium mit der Förderung eines deutsch-kanadischen Verbundprojekts an der Universität Bayreuth.  Fast zeitgleich startete auch ein deutsch-japanisches Forschungsprojekt.  Die Liste ließe sich durchaus fortsetzen.

Eine Mammutaufgabe, aber machbar

Die Bundesregierung ist umtriebig – das steht außer Frage. Allerdings ist der Aufbau einer nachhaltigen globalen Wasserstoffwirtschaft eine Mammutaufgabe. Und sie hat ihren Preis. Um 15 bis 20 Prozent des Energieverbrauchs durch Wasserstoff zu decken, müsste dessen Produktion um das Fünf- bis Siebenfache gesteigert werden, was laut der Energy Transitions Commission (ETC) 12,6 Billionen Euro kosten würde. Außerdem kämen jährlich 30.000 Terrawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien on top.

Es wird also noch einige Zeit und Anstrengungen brauchen, bis grüner Wasserstoff bei der Stromproduktion die Kohle ersetzt, Gaskraftwerke betreibt, Kraftfahrzeuge antreibt oder in klimafreundlichen Kraftstoff umgewandelt wird. Doch der Weg dahin ist vorgezeichnet. Und auch klimaVest wird ihn eines nicht allzu fernen Tages beschreiten.