Im Vordergrund wird eine Wasserstoffanlage und im Hintergrund eine Solaranlage sowie eine Windkraftanlage dargestellt.

Aktuelle Forschung im Überblick Studien zeigen: Das Tempo beim Ausbau von grünem Wasserstoff steigt

08.03.2023 6 Minuten Lesezeit

klimaVest: Redakteurin Annemarie Zahn
Annemarie Fountoukas
Redakteurin

Allein die Menge der verfügbaren Studien zum Thema Wasserstoff zeigt: Das Thema brennt unter den Nägeln. Beginnen wir mit den Studien zweier renommierter Unternehmen – der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC  und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI)  – aus dem Jahr 2021. Aus beiden geht hervor, dass die Wasserstofftechnologie international – wenn auch mit großen Länderunterschieden –Fahrt aufnimmt.

Um die Transformation der Energiesysteme zielführend umzusetzen, muss aus Sicht der Studienautoren nicht nur der effiziente und nachhaltige Einsatz von Wasserstoff gewährleistet sein, sondern auch die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft vorangetrieben werden. Das wiederum werde neue Arbeitsplätze – unter anderem durch Umschulungspotenzial für bestehende Belegschaften – schaffen.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Eine neuere Studie der Hans-Böckler-Stiftung bezieht bereits den Ukraine-Krieg und die mit ihm verknüpften Folgen für die Weltwirtschaft ein.  Wenig überraschend dürfte die Empfehlung sein, größere Elektrolysekapazitäten zur grünen Wasserstoffproduktion im Inland zu schaffen als bislang geplant. Gas als „Brücken“-Rohstoff kann als passé betrachtet werden. 

Zwar fokussiert sich die Studie auf die Transformation der Stahlindustrie und des Energieanlagenbaus, dennoch führt sie die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit deutlich vor Augen. Ein Beispiel: Die Bundesregierung hat das Kapazitätsziel für die Wasserstoffelektrolyse im Koalitionsvertrag deutlich angehoben. Mit den angestrebten zehn Gigawatt bis 2030 ließen sich pro Jahr rund eine Million Tonnen grüner Wasserstoff erzeugen. Doch allein die Umstellung der Stahlproduktion auf grünen Stahl würde rund zwei Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr erfordern. 

So ließen sich Wege ebnen

Die Studie der Hans-Böckler-Stiftung erwartet, dass in Deutschland produzierter Wasserstoff in absehbarer Zeit wettbewerbsfähiger sein wird als der über weite Strecken per Schiff transportierte. Je zügiger der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreite, desto schneller könnten inländische Elektrolyseanlagenbauer mit Referenzprojekten im eigenen Land Zeichen setzen – nicht zuletzt, um sich so international Vorteile zu verschaffen. 

Um dieser Entwicklung den Weg zu ebnen, empfehlen die Studienautoren drei wirtschaftspolitische Maßnahmen: erstens die Unterstützung transformationswilliger Unternehmen durch EU-Investitionshilfen, zweitens die Etablierung „grüner Leitmärkte“ durch verlässliche Zertifizierungen und drittens einen wirksamen Schutz gegen billig produzierte, klimaschädliche Produkte. 

Erste Erkenntnisse zur Nachfrage- und Preisentwicklung

Im Februar dieses Jahres hat das Fraunhofer ISI mit einer Studie zur Entwicklung von Nachfrage und Preis für Wasserstoff bis 2045 nachgelegt.  Sie ist Teil des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „HyPat – Globaler H2-Potenzialatlas“  und befasst sich mit den konkreten Anwendungsbereichen und dem Umfang des Wasserstoffeinsatzes. Dabei kamen detaillierte Simulationsmodelle zum Einsatz, welche alternative Möglichkeiten zur Erreichung der Klimaziele und der potenziellen Rolle von Wasserstoff darstellen.

Als Treiber für die Wasserstoffnachfrage haben die Studienautoren bestimmte Industrieanwendungen wie im Stahl- oder Grundstoffchemiesektor identifiziert. Da es sich hierbei um Anwendungen handelt, zu denen es kaum ökonomisch attraktive Alternativtechnologien zur Erreichung der ambitionierten deutschen Klimaziele gibt, dürfte der Preis für Wasserstoff hoch bleiben. Dies gelte der Studie zufolge auch für den Bereich des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs. Die abschließende Empfehlung der Studienautoren lautet, sich beim Technologieausbau auf vielversprechende Industrieanwendungen zu konzentrieren.

Wasserstoffwirtschaft – auch eine Frage der Sicherheitspolitik

Eine weitere Studie – „A Security Policy for the Global Hydrogen Economy“ von Deloitte – wurde im Februar dieses Jahres auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt. Darin kommt Studienautor Professor Dr. Bernhard Lorentz zu dem Schluss, dass die Sicherung der Versorgung mit grünem Wasserstoff künftig zu einem Schlüsselfaktor für die Energieversorgung und den Wohlstand in den Industriestaaten wird. Zudem werde Wasserstoff geopolitisch zum Rückgrat der industriellen Produktion und des Gütertransports. 

Amerika sieht er als Gewinner des Wasserstoffzeitalters, mit einigem Zeitversatz gefolgt von China, während Russland zwar das Potenzial hätte, dieses angesichts seiner Isolation aber nicht heben könne. Europa sieht er vor dem größten Dilemma, da er dem Kontinent bis ins Jahr 2050 eine weiterhin hohe Wasserstoff-Importquote (43 Prozent) unterstellt. Um die Energiesicherheit zu gewährleisten, empfiehlt er Importe aus dem nördlichen und südlichen Afrika, da der Transport hier auch mit Pipelines erfolgen kann. 

Europa und Japan sind Patent-Weltmeister

Abgerundet wird der Studienreigen mit der Publikation „Hydrogen patents to a clean energy future“ des Europäischen Patentamts (EPA) und der Internationalen Energieagentur (IEA).  Aus ihr geht hervor, dass die EU-Staaten und Japan bei wasserstoffbezogenen Patenten führend sind. Sie vereinen 28 Prozent beziehungsweise 24 Prozent aller im Zeitraum zwischen 2011 und 2020 eingereichten Patente auf sich und weisen zudem ein erhebliches Wachstum vor. Innerhalb der EU hat Deutschland mit elf Prozent der weltweiten Patente (im Bereich Wasserstofftechnologie) die Nase vorn, gefolgt von Frankreich mit sechs Prozent und den Niederlanden mit drei Prozent. 

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht sich in der engagierten Forschungsförderung ihres Ministeriums bestätigt.  In ihrer Pressemeldung vom 10. Januar dieses Jahres betont sie Deutschlands starke Ausgangsposition, um zur Wasserstoffrepublik zu avancieren und deutsche Wasserstofftechnologien zum Exportschlager zu machen. Dass die angemeldeten Patente aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette kommen, zeige, welch großes Potenzial in Wasserstofftechnologien „made in Germany“ stecke.