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Windkraft im Jahresverlauf Winterzeit, Windzeit – Wieso gerade jetzt die Stunde der Windenergie schlägt

28.10.2024 5 Minuten Lesezeit

Windenergie erklärt

Kürzere Tage, sinkende Temperaturen: Der Winter rückt unaufhaltsam näher und damit auch die Zeit höheren Energiebedarfs. Da sich die Sonne seltener am Himmel über Deutschland zeigt, reduziert sich auch der Ertrag der Photovoltaikanlagen. Nun ist die Zeit der Windenergie gekommen, denn es weht zunehmend mehr und stärkerer Wind übers Land. Aber warum ist das so? 
Beim Verständnis dieser Tatsache hilft ein kurzer Exkurs zur Entstehung des Phänomens Wind. Er weht, weil die Natur grundsätzlich den Ausgleich sucht. In diesem Fall will sie den Temperaturunterschied zwischen den heißen Tropen und den kalten Polen ausgleichen. Warme Luft strömt vom Äquator zu den Polkappen, umgekehrt Kaltluft von dort Richtung Tropen und es entstehen die Winde. Im Winter nimmt dieses Temperaturgefälle zu, da durch die Neigung der Erdachse mit zunehmender Nähe zu den Polen immer weniger Sonneneinstrahlung auf der Erde ankommt. Rund um den Äquator hingegen ist dieser Effekt kaum vorhanden. Daher nehmen sowohl Häufigkeit als auch Intensität der Winde in der kalten Jahreszeit zu. ¹

Warum an der See mehr Wind weht

Kleinräumiger betrachtet findet die gleiche Luftbewegung an den Küstengebieten und an den Ufern von Binnenseen statt. Tagsüber erwärmt sich der Erdboden schneller als das Wasser. Auch die Luft über Land wird schneller warm, steigt auf und die kühlere Seeluft strömt an Land – es weht auflandiger Wind. Nach Sonnenuntergang kehrt sich die Strömungsrichtung um, weil das Wasser die Wärme länger speichert als die Landmassen. Über Nacht herrscht daher ablandiger Wind vor.

Dieses Land-See-Windsystem ist rund um die Uhr aktiv, daher ist die Luft in Küstengebieten immer in Bewegung, so auch an Nord- und Ostsee. In Kombination mit der flachen Landschaft sorgt dieses Phänomen dafür, dass norddeutsche Windparks deutlich mehr Strom erzeugen als ihre Pendants im Binnenland³, wo die Winde unregelmäßiger und mit weniger Kraft wehen, weil sie durch die unebene Erdoberfläche abgebremst werden. Das gilt auch für Anlagen in exponierten Höhenlagen, wo der Wind auf vergleichsweise wenig Hindernisse trifft.²

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Energiewende aus?

Da die Lufttemperatur einen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der Winde hat, stellt sich unweigerlich die Frage nach den Auswirkungen der Erderwärmung auf dieses System. Durch sie werden sich im Jahresmittel die Temperaturen in Äquator- und Polregionen aneinander angleichen. Der Verdacht liegt nahe, dass infolgedessen weniger und schwächerer Wind wehen könnte, was den Ertrag der Windparks negativ beeinflussen würde.

Ganz einig ist sich die Wissenschaft bei der Einschätzung dieser Problematik jedoch nicht. 2021 beispielsweise herrschte eher Flaute, während 2022 und 2023 sehr windige Jahre waren. Manchen Forschern ist die Datengrundlage zum Ablesen längerfristiger Entwicklungen zu dürftig. Studien und Modellierungen am Computer deuten allerdings darauf hin, dass es im Jahresdurchschnitt nur relativ geringe Veränderungen der mittleren Windgeschwindigkeit und damit der Produktion von Windenergie in Deutschland geben dürfte.

Die Daten lassen aber vermuten, dass sich die Verteilung des anfallenden Windes im Jahresverlauf verschieben wird. Demnach könnte es künftig vermehrt zu Sommern kommen, in denen viele Turbinen mangels Winds nicht einmal in Betrieb gehen. Ausgeglichen werden dürfte dieses Weniger an Windenergie durch steigende Produktivität der Photovoltaik-Anlagen. Zudem ist in den Wintern mit höherer Stromproduktion durch die Windparks zu rechnen, da dann mit mehr und kräftigerer Luftbewegung zu rechnen ist.

Dies bedeutet nicht zwangsläufig mehr Stürme oder Orkane, die zum Abschalten der Turbinen wegen möglicher Beschädigungen zwingen. Eventuell ist sogar das Gegenteil der Fall. Setzt sich die aktuelle Entwicklung fort, sind zwar durchaus stärkere Sturmereignisse möglich, die dafür aber seltener auftreten. Die Zeiten erzwungenen Stillstands in Windparks könnten also weniger werden.⁴

Studien und Modellierungen am Computer deuten allerdings darauf hin, dass es im Jahresdurchschnitt nur relativ geringe Veränderungen der mittleren Windgeschwindigkeit und damit der Produktion von Windenergie in Deutschland geben dürfte.
Patrick Ludwig
Meteorologe vom Karlsruher Institut für Technologie

Prognosen sind schwierig, doch ohne Windenergie wird es nicht gehen

Ob sich all diese Vermutungen, Prognosen, Berechnungen und Modelle am Ende als korrekt erweisen werden, wird letztlich die Zeit zeigen. Wetterdienste legen sich in ihren Vorhersagen meist nur für wenige Tage fest. Auch die Klimaforschung sieht sich mit vielen Unwägbarkeiten konfrontiert. Es lässt sich daher nur schwer prognostizieren, wie sich sowohl das Aufkommen an Wind als auch die Produktion von Strom mit seiner Hilfe langfristig entwickeln wird.

Dass allerdings zum erfolgreichen Vollziehen der Energiewende derzeit kein Weg an der Windenergie vorbeiführt, lässt sich an den Zahlen des Jahres 2023 ablesen. Sie war in diesem Zeitraum mit fast einem Drittel des gesamten in Deutschland erzeugten Stroms der wichtigste Energielieferant. Erstmals übertraf ihr Anteil dabei den der Kohle. Ob es 2024 gelingt, diese Rekordzahlen noch zu überflügeln, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Mittelfristig scheint die Windenergie aber auf einem guten Weg zu sein: Im vergangenen Jahr genehmigte die Bundesnetzagentur Bauanträge für knapp 1.500 neue Windräder, so viele wie seit fast zehn Jahren nicht mehr.⁵ 

Windenergiepark Duben
klimaVest: Windpark in den Wolken.