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Batteriespeichern gehört die Zukunft – die Frage ist nur: Welchen?

25.10.2023 10 Minuten Lesezeit

klimaVest: Redakteurin Annemarie Zahn
Annemarie Fountoukas
Redakteurin

Leistungsstark, langlebig, nachhaltig und sicher soll sie sein, die Batterie von morgen. Denn ohne sie geht es schon lange nicht mehr, und in naher wie ferner Zukunft wird sie erst recht unverzichtbar sein. Ob Smartphone oder Schiff, Lastwagen oder Landmaschine, Hörgerät oder Handy, Flugzeug oder Photovoltaikanlage – die nachhaltige Weiterentwicklung unserer Technologie steht und fällt mit den Möglichkeiten der Energiespeicherung. Doch damit sind derzeit noch viele Fragen und Herausforderungen verbunden. Angesichts des Krieges in der Ukraine, der Deutschland wie auch andere europäische Staaten mit einer einseitigen Energieabhängigkeit konfrontiert hat, ist das Interesse Europas an einer weitgehenden Rohstoffunabhängigkeit groß. Zudem gilt es, im Sinne eines ausgewogenen internationalen Kräfteverhältnisses die technologische Souveränität zu sichern, was einen zuverlässigen Zugang zu Batteriezellen und vorgelagerten Lieferketten voraussetzt.

Gleichzeitig stellt sich die Frage des Recyclings bereits ausgedienter Batterien. Und die Notwendigkeit, Alternativen zu den marktbeherrschenden Lithium-Ionen-Batterien (LIBs) zu entwickeln. Denn der Abbau der verwendeten Rohstoffe wie Kobalt, Aluminium und Lithium belastet die Umwelt durch hohen Wasserverbrauch, Verunreinigungen und tiefe Eingriffe in Landschaften und Ökosysteme. Auch die Arbeitsbedingungen, unter denen das größtenteils aus unterirdischen chilenischen Quellen oder australischen Bergwerken gewonnene Lithium abgebaut wird, lassen zu wünschen übrig.

Der Klassiker: die Lithium-Ionen-Batterie

LIBs haben sich ihren Vorreiterstatus durch eine Reihe unbestrittener Vorteile verdient. So punkten sie mit einem breiten Einsatzspektrum vom Smartphone bis zum Elektroauto, einer langen Lebensdauer von bis zu 3.000 Ladezyklen, hohen Stromstärken für energieintensive Arbeitsprozesse, einer hohen Energiedichte auf kleinstem Raum und einer geringen Selbstentladung. Auch der für herkömmliche Nickel-Cadmium-Akkus typische Memory-Effekt tritt nicht auf. Trotz zahlreicher technischer Anpassungen weisen LIBs jedoch einige Nachteile auf. 

Dass E-Autos gelegentlich Feuer fangen, hängt mit der Reaktionsfreudigkeit des Lithiums zusammen. Auch Temperaturen unter plus fünf Grad und über 35 Grad Celsius vertragen LIBs nicht sonderlich gut. Wegen ihrer hochreaktiven Bauteile gelten sie zudem als Sondermüll, für den noch kein etabliertes Recyclingverfahren existiert.1 Dennoch überwiegen die Vorzüge und eine echte Alternative gibt es bislang nicht. Das zeigt auch das in diesem Jahr in Betrieb genommene Energiespeichersystem des japanischen Akkumulatorenherstellers GS Yuasa.2

Wetterbedingten Leistungsschwankungen Paroli bieten

Mit einer Leistung von 240 MW und einer Kapazität von 720 MWh ist das Hochkapazitätsspeichersystem der North Hokkaido Wind Energy Transmission Corporation am Umspannwerk Kita Toyotomi eines der größten der Welt. Es besteht aus rund 210.000 Modulen mit 3,3 Millionen Lithium-Ionen-Zellen. Um einen reibungslosen Betrieb und eine konstante Leistung zu gewährleisten, wird das System durch eine Kombination aus Fernüberwachung und KI-basierter Vorhersagetechnologie ständig überprüft. Weltweite Beachtung erfährt die gigantische Anlage nicht nur wegen ihrer Dimension, sondern auch im Hinblick auf ihren Beitrag zur Lösung eines internationalen Problems der Energiewende: der wetterbedingten Leistungsschwankungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Denn nach wie vor ist die Energie aus Wind und Sonne nicht wirklich planbar.

Die Energiewende – eine Herausforderung für die Netzstabilität

Doch Versorgungssicherheit setzt Netzstabilität voraus und die ist nur dann gegeben, wenn Stromerzeugung und Stromverbrauch von Großindustrie und Haushalten jederzeit im Gleichgewicht sind. Um das zu gewährleisten, werden die deutschlandweit zu erwartenden Stromeinspeisungen und -entnahmen auf Netzebene prognostiziert. Wind und Sonne sind jedoch kaum kalkulierbare Größen und entsprechend volatil ist die Stromerzeugung. 

Kurzfristige Eingriffe – sogenannte Redispatches – in die Fahrweise konventioneller und regenerativer Kraftwerke zur Sicherung der Netzstabilität sind daher an der Tagesordnung. Im Jahr 2022 hat der deutsche Staat hierfür 4,2 Milliarden Euro aufgewendet3 – Geld, das durch die Nutzung leistungsfähiger Batteriespeicher eingespart werden könnte. 

Gebündelte Expertise für alternative Batterien

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Batteriespeichern und der genannten Nachteile der Lithium-Ionen-Batterie wird bereits intensiv an Alternativen geforscht – beispielsweise vom „Post Lithium Storage Cluster of Excellence“, kurz POLIS. Mit 120 beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Karlsruhe, Ulm und Gießen ist es das größte Forschungscluster seiner Art in Europa. Sie sprechen der Natrium-Ionen-Batterie Nachfolgequalitäten zu, da sie in ihrer Leistungsfähigkeit bereits an die LIB heranreicht, dafür aber ohne kritische Rohstoffe auskommt, zudem bessere Tieftemperatureigenschaften hat und schnell geladen werden kann.

Auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) betreibt seit über zehn Jahren Batterieforschung und analysiert neben der LIB alternative Batteriechemien und -systeme, die in den nächsten Jahren Marktreife erlangen könnten. Die jüngste Roadmap, die Anwendungsfelder, Märkte, Kosten und Herausforderungen skizziert, wurde im September dieses Jahres veröffentlicht.4 Darin wird Natrium-Ionen-, Zink-Ionen- und Metall-Luft-Batterien ein großes Zukunftspotenzial in Bezug auf Nachhaltigkeit, geringere Kosten oder geringeren Ressourcenverbrauch bescheinigt. 

Gleichzeitig weist der Bericht aber auf Nachteile wie geringere Energiedichte und technologische Reife hin. Potenzial haben demnach auch Metall-Schwefel- sowie Redox-Flow-Batterien. Die Roadmap stellt zudem fest, dass die EU-Länder bei Redox-Flow-, Lithium-Luft- oder Aluminium-Ionen-Batterien besser positioniert sind, während Japan und China bei LIBs weiterhin führend bleiben. Um die Dynamik dieser Entwicklung in Europa aufrechtzuerhalten, ist gemäß Fraunhofer ISI eine ganzheitliche politische Unterstützung von der Grundlagenforschung über Lieferketten, Patente und Produktionsprozesse bis hin zur Ressourcensicherung und zu den Perspektiven der Endnutzer erforderlich.

Seit 17. August 2023 in Kraft: die EU-Batterieverordnung

Sie ist Teil des European Green Deal und gilt ab dem 18. Februar 2024 in allen EU-Mitgliedstaaten: die EU-Batterieverordnung. Sie soll die Kreislaufwirtschaft voranbringen, die Ressourcennutzung und -effizienz verbessern und den Lebenszyklus von Batterien im Hinblick auf Klimaneutralität und Umweltschutz optimieren.5 Dazu muss sich zunächst der Recyclingmarkt entwickeln, der in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. Das mag angesichts der Omnipräsenz von Akkus verwundern, ist aber Projektleiter Christoph Neef vom Fraunhofer ISI zufolge eine Tatsache. In China und den USA wird der Recyclingmarkt durch die Größe der Märkte beflügelt.6 

Die Grundsteinlegung am 3. März dieses Jahres für die Batterierecyclingfabrik von Mercedes-Benz am Standort Kuppenheim verdient daher Respekt. Mit Verwertungsquoten von mehr als 96 Prozent strebt der Automobilhersteller eine echte Kreislaufwirtschaft für Batteriematerialien an.7 Das ist eine Investition in die Zukunft. Denn gemäß einer Studie des Lehrstuhls „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) der RWTH Aachen und der Strategieberatung PwC Strategy& wird der Recyclingmarkt in Deutschland erst ab 2030 voll ausgelastet sein, was wiederum Investitionen von mehr als 2,2 Milliarden Euro für die jährliche Aufbereitung von rund 570.000 Tonnen Batteriematerial voraussetzt.8

Deutschlands Lithium-Schatz tief unter dem Rhein

Dass Lithium auch künftig eine wichtige und durchaus nachhaltige Rolle spielen kann, ist spätestens seit der Entdeckung von Europa größter Lithiumquelle in Deutschland klar. Geologen schätzen, dass aus den Vorkommen im Oberrheintal jährlich 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid gewonnen und damit eine Million Elektroautos mit Batterien ausgestattet werden können. 

Nach Angaben der Karlsruher Vulcan Energie Ressourcen GmbH wäre das sogar umweltfreundlich und CO2-neutral möglich. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen das Projekt „Zero Carbon Lithium™“ ins Leben gerufen. Durch die Kopplung mit einer Geothermieanlage soll unnötiger Flächenverbrauch vermieden, der Wasserverbrauch auf ein Minimum reduziert und eine vollständige Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen erreicht werden.9

Fazit

Lithium-Ionen-Batterien dominieren den internationalen Markt. Daran wird sich angesichts der vielfältigen Vorteile dieser Technologie, der Innovationen im Recyclingmarkt und der neu entdeckten Vorkommen in Europa so schnell auch nichts ändern. Dennoch haben auch alternative Batterien im Zuge der weltweiten Elektrifizierung große Chancen sich in bestimmten Segmenten durchzusetzen und die LIB sogar zu übertrumpfen. Insbesondere in der Europäischen Union – vorausgesetzt, die Politik schafft Anreize und attraktive Rahmenbedingungen. 

Einen Blick in die Zukunft des Batterierecyclings gestatten China und Südkorea, die bereits 2013 – und damit zehn Jahre vor der EU – Vorschriften für das Recycling von Batterien erlassen haben. Doch es gibt ambitionierte Unternehmen und wissbegierige Forscher, die alles daransetzen, in Sachen Umweltfreundlichkeit und Leistungsfähigkeit aufzuholen. Nun gilt es, dieses Potenzial zu nutzen. Auch das klimaVest Fondsmanagement beobachtet die Entwicklungen rund um diese Technologie hochinteressiert.